Raus aus dem Angstkino

01.10.2020

Ein Beitrag zum Tag der seelischen Gesundheit am 10. Oktober

Viele Menschen sind in den letzten Monaten verletzlicher geworden, auch wenn sie nicht zu denen gehören, die in der Pandemie erkrankt sind. Sie fürchten sich oder andere anzustecken, sorgen sich um ihre Zukunft, haben Angst vor nicht kontrollierbaren Situationen, dem Kontakt zu anderen Menschen oder dem Alleinsein mit sich selbst. Angst ist, auch besonders in der aktuellen Situation ein sinnvolles Gefühl, das auf das Bedürfnis nach Sicherheit hinweist. Allerdings können sich Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen können dabei aufschaukeln, Grübelspiralen und Schlaflosigkeit auslösen und bis hin zu Panik oder Todesangst führen.

Ein unguter Kreislauf, den Ulrike Juchmann, Psychologin und aktiv in der Fachgruppe Gesundheit des MBSR-MBCT-Verbandes, aus ihrer Praxis in Berlin kennt: „Lösungsstrategien aus Vermeidung, Denken und Analysieren führen meist noch tiefer in das Problem hinein. Man kann seinen Ängsten nicht dauerhaft aus dem Weg gehen, aber man kann lernen, sich ihnen vorsichtig und selbstbestimmt zu nähern“, erläutert sie. Um den Schritt hin zum Wahrnehmen und Akzeptieren der eigenen Angst zu schaffen, bietet MBCT (Mindfulness Based Cognitive Therapie), eine gute Perspektive. Das achtsamkeitsbasierte Verfahren hilft, sein eigenes Angstkino bewusst zu erkennen und sich aus der Beschäftigung mit dem, was war und was in Zukunft vielleicht Schlimmes sein könnte, zu lösen und wieder in der Gegenwart zu verankern.

Mit MBCT-Training seinen Ängsten in die Augen schauen

In einem MBCT-Kurs lernen Betroffene durch Meditation in Ruhe und Bewegung und verhaltenstherapeutische Übungen, ihre Gefühle, Gedanken und Körperempfindungen zu erkennen und zu unterscheiden. „Wenn während einer Achtsamkeitsübung Ängste auftauchen, sind sie Teil der Erfahrung. Die Übenden lernen sich im Körper zu verankern, sich über den Atem zu fokussieren und sich der Angst auch bewusst zuzuwenden“, so Juchmann. „Auf diese Weise schaffen es MBCT-Kursteilnehmende, sich ihren Ängsten auf eine neue, bewusstere Art und Weise zuzuwenden.“ MBCT weist einen Weg aus Vermeidung und Kampf mit der Angst. Auch positive Gefühle lassen sich so besser wahrnehmen und kultivieren. Mit Achtsamkeit kann man mehr Selbstfürsorge entwickeln und rechtzeitig aktiv gegensteuern, bevor Ängste zur Lähmung führen.

Ulrike Juchmann berichtet von einer Klientin, die sich nach einer Homeoffice-Phase nicht wieder ins Büro traute. Ängste hatten in ihrem Leben wie in ihrer Familie bereits eine Rolle gespielt. Diese alten Sorgen tauchten jetzt wieder stärker auf. Die Klientin befürchtete, sich tödlich anzustecken oder für den Tod anderer verantwortlich zu werden. Schließlich mied sie jeden Kontakt, geriet in Konflikt mit ihrem Partner. Einige therapeutische Gespräche und Mediationsübungen aus dem MBCT-Programm ermöglichten ihr, sich über den Atem zu beruhigen, ihre Körperwahrnehmung zu stärken und aus Sorgenszenarien frühzeitig auszusteigen. Sie kann sich jetzt wieder selbst stabilisieren, erlebt ihren Körper als Ort, aus dem sie Vertrauen zieht, und ist froh, dass sie es geschafft hat, doch wieder ins Büro zu gehen und sich ihren Ängsten zu stellen.

Zu MBCT (Achtsamkeitsbasierte Kognitive Therapie)

MBCT ist ein durch wissenschaftliche Studien belegtes wirkungsvolles Programm, das Menschen mit wiederkehrenden Depressionen oder Ängsten helfen kann, ihr Leiden zu lindern und sie darin unterstützt, aus Emotions- und Verhaltensmustern frühzeitig auszusteigen. Petra Meibert vom Vorstand des MBSR-MBCT Verbandes möchte das Verfahren stärker als Rückfallprophylaxe ins Bewusstsein von Psychologen und Ärzten rücken. „MBCT,“ so die MBCT-Expertin und -Ausbilderin, „könnte vielen Patienten den Verzicht auf ungeliebte Medikamente ermöglichen. Das legen auch die Studien dazu nahe.“

In der Kurssuche des MBSR-MBCT Verbandes der Achtsamkeitslehrenden www.mbsr-verband.de/kurse findet man deutschlandweit Angebote für MBCT-Kurse. Achtsamkeitslehrende, die dort als Verbandsmitglied MBCT-Kurse anbieten, müssen umfangreiche Erfahrungen in der Betreuung von seelisch-erkrankten Menschen nachweisen und einen entsprechenden Grundberuf wie z.B. als Arzt oder Psychologe haben.

Mehr zum Thema:
auf der Webseite des Verbandes: www.mbsr-verband.de/MBCT

„Achtsamkeitsbasierte Psychotherapie bei Depressionen und Ängsten. MBCT in der Praxis.“ Ulrike Juchmann, Beltz 2020

„Der Weg aus dem Grübelkarussel. Achtsamkeitstraining bei Depression, Ängsten und negativen Selbstgesprächen Das MBCT-Buch.“ Petra Meibert, Kösel 2014

„Depressionen: Achtsamkeitsmeditation kann Rückfälle verhindern“ Ärzteblatt Mai 2015

Veranstaltung: Online Jahreskonferenz des MBSR-MBCT Verbandes (u.a. ein Workshop „Die Angst muss mit“ – MBCT in den Zeit von Covid19“ mit Dr. med. Martina Aßmann und Petra Meibert, Dipl. Psychologin)

Pressekontakt
MBSR-MBCT Verband e.V. Agnes Kick Tel. 0162 - 1861016, presse@mbsr-verband.de
Gern stellen wir auch den Kontakt zu weiteren Verbandsmitgliedern, die zum Thema Ängste bzw. MBCT auskunftsfähig sind, her.

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