Lebensqualität trotz Schmerzen

10.05.2021

So helfen Achtsamkeitsübungen, mit chronischen Schmerzen umzugehen.

Mann mit Rückenschmerzen

Etwa 23 Millionen Menschen sind laut Deutscher Schmerzgesellschaft in der Bundesrepublik von chronischen oder wiederkehren­den Schmerzen betroffen. Durchschnittlich dauert es mindestens zwei Jahre, bis sie eine sachgerechte Schmerztherapie erhalten. Meist haben sie in dieser Zeit bereits diverse Behandlungen und Medikamente ausprobiert, oft ohne wirklichen Erfolg.

Schmerz bedeutet Stress

„Schmerz bedeutet Stress und unter Stress ist das Schmerzempfinden oft größer, was zu mehr Leid führt“, erklärt Dr. Harald Lucius, Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Schmerztherapeut und selbst MBSR-MBCT-Lehrer. „Neurophysiologisch und entwicklungsgeschichtlich sind Schmerz- und Stressverarbeitung im zentralen Nervensystem in ähnlichen, oft benachbarten und eng verzahnten Hirnregionen angesiedelt. Das bedeutet: Jemand, der viel Stress hat, ist anfälliger dafür, einen erhöhten Leidensdruck unter Schmerzen zu entwickeln“ Ein Achtsamkeitstraining wie MBSR (Mindfulness-based Stress Reduction) kann helfen, diesen Teufelskreis zu durchbrechen und ist deshalb eine sinnvolle Ergänzung zur medizinischen Behandlung von chronischen Schmerzen. “Durch Achtsamkeit lernen Patienten, wie sie dem Stress, den der wiederkehrende oder chronische Schmerz auslöst, anders begegnen können und sich dadurch Stück für Stück Lebensqualität zurückerobern“, so der Mediziner, der sich seit fast 35 Jahren mit dem Thema beschäftigt und eine Schmerzambulanz leitet.

Während etliche Kliniken bereits MBSR-Kurse anbieten, in denen Patienten lernen, trotz Schmerzen ein lebenswertes Leben zu führen, sind Achtsamkeitstrainings in der ambulanten Behandlung bei Haus- und Fachärzten noch relativ wenig bekannt. Dipl. Sozialpädagoge und Therapeut für Mind-Body-Medizin Jörg Meibert leitet Achtsamkeitskurse in einer Essener Tagesklinik und in freier Praxis: „Ein guter Einstieg ist der achtwöchige MBSR-Kurs, der von vielen Krankenkassen unter bestimmten Voraussetzungen als Präventionskurs anerkannt wird. Damit lässt sich die Grundlage für eine tägliche Achtsamkeitspraxis legen.“

MBSR als ergänzende Maßnahme in der Schmerztherapie

Eine wachsende Zahl von Studien bestätigt die positive Wirkung der sogenannten Mind-Body-Interventionen. Insbesondere Menschen mit chronischen Rücken- und Nervenschmerzen, rheumatischen Erkrankungen, chronischen Kopfschmerzen, Migräne und Fibromyalgiesyndrom oder mit Krebserkrankungen können ihre Schmerzintensität und -dauer durch regelmäßige Achtsamkeitsübungen reduzieren und mehr Lebensqualität erreichen.

Zum Einsatz kommt häufig das bekannte und wissenschaftlich umfangreich untersuchte MBSR-Programm. MBSR (Mindfulness-based Stress Reduction) besteht u.a. aus verschiedenen Meditations- und Körperübungen, die nach einer klaren Struktur vermittelt und praktiziert werden. Acht Wochen lang trainiert man unter Anleitung in der Gruppe sowie allein zu Hause und lernt dabei, seine Empfindungen aufmerksam wahrzunehmen und wertfrei zu beobachten. Das heißt, auch Unangenehmem mit Offenheit und Akzeptanz entgegenzutreten, einem schlechten Gefühl also nicht sofort auszuweichen oder es zu bekämpfen.

Aber auch bei seelischen Erkrankungen, die mit Schmerzen einhergehen (somatoforme Schmerzstörung, Somatisierungsstörung, somatisierte Depressionen und körperbezogeneAngsterkrankungen) lohnt sich die Teilnahme an einem Achtsamkeitskurs, insbesondere am Depressionsrückfallprophylaxe-Programm MBCT.

Selbst etwas tun zu können, gibt Kraft

„Wenn man dabei erlebt, dass das Unangenehme veränderlich ist oder sich für eine gewisse Zeit aushalten lässt“, so Lucius „kann man auch dem Schmerz mit größerer Gelassenheit entgegentreten, fühlt sich ihm nicht mehr so ausgeliefert.“ Das brauche natürlich Übung, aber etwa ab Mitte eines Kurses spürten die Teilnehmenden meist die Effekte ihres Trainings. „Patienten lernen, den Zugang zum Schmerz zu dosieren“, ergänzt Meibert. „Nach 10 Wochen Kurs bei uns in der Tagesklinik, sagen sie häufig: Ich habe zwar immer noch Schmerzen, aber ich kann viel besser damit umgehen.“  Das heißt, viele Patienten und Patientinnen nehmen wieder mehr am Leben teil, können besser ihrer Arbeit nachgehen, fühlen sich weniger ausgegrenzt und ausgebremst.

Kurse und Kliniken mit MBSR-Angeboten für den Umgang mit Schmerz finden

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