Achtsamkeitspraxis in der Schwangerschaft

20.06.2022

Kommt Achtsamkeit, die Mütter in der Schwangerschaft üben, auch ihren Säuglingen zugute? Das untersuchten Forscher:innen von der University of California und veröffentlichte die Ergebnisse in der Juniausgabe der Zeitschrift „Psychosomatic Medicine“.

Foto:iStock/Artfoliophoto

An der Studie nahmen insgesamt 135 Mutter-Kind-Paare teil. Ein Teil erhielt über 8 Wochen acht zweistündige wöchtenliche Gruppensitzungen, die Stressabbau durch Achtsamkeit, achtsames Essen und Beratung für Ernährung und Bewegung kombinierten. Der andere Teil durchlief die übliche Mutterschaftsvorsorge. Die Mehrzahl der Mütter verfügte über ein geringes Einkommen, sie hatten ethnisch diverse Hintergründe und berichteten über ein hohes Maß an Stress.

Schon zuvor veröffentlichte Ergebnisse der Studie wiesen nach, dass die Mütter selbst von der Intervention profitierten, indem sich Stressniveau und Depressionsanfälligkeit, das Aktivitätslevel und die Glukosetoleranz der Mütter im Vergleich zu Kontrollgruppe verbesserten. Aber hat das Achtsamkeitstraining der Schwangeren auch Einfluss auf das Stresslevel ihre Kinder?

Die Forscher und Forscherinnen untersuchten die Reaktionen der Kinder mithilfe eines sogenannten Still-face-Experiments [1] als die Säuglinge 5 Monate alt waren. Dabei spielten Mütter 30 Sekunden lang normal mit ihren Säuglingen, hörten plötzlich auf, mit ihnen zu interagieren oder auf sie zu reagieren und behielten für 30 Sekunden einen neutralen Gesichtsausdruck, ein sogenanntes „Still face“. Die Eltern nahmen dann die normale Reaktionsfähigkeit wieder auf, gefolgt von einer weiteren „Still-face“-Episode, bevor sie sich ihrem Kind wieder ganz ausdrucks- und liebevoll zuwendeten. Für Babys bedeutet ein ausdrucksloses Gesicht seiner Bindungsperson Stress. Langfristig können derartige Abbrüche und Vernachlässigungen bei Reaktion und Interaktion zu Kontaktstörungen und tieferen psychischen Störungen führen.

Mittels durch EKG aufgezeichneten Daten und einer Videobewertung durch studienfremde Beobachter wurden anschließend die Reaktionen der Säuglinge wie Unruhe, Rückzug, Protest und visuelle Auseinandersetzung mit der Umgebung bewertet. Die Ergebnisse zeigten, dass die Kinder von gestressten Müttern, die an einem Achtsamkeitstraining teilgenommen hatten, eine erhöhte Reaktionsfähigkeit, eine bessere Erholung und eine länger anhaltende visuelle Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt als Reaktion auf Stress zeigten, als die Kontrollgruppe. Dies legt nahe, dass die pränatale Achtsamkeitspraxis zwei Generationen zugute kommen kann.

Der vollständige Artikel ist aktuell auf der Seite der Fachzeitschrift als PDF downloadbar.

[1] Das Still-face-Experiment ist bereits in den 70er und 80er Jahren bekannt geworden durch die Untersuchungen des US-amerikanischen Entwicklungspsychologen und Psychoanalytikers Edward Tronick zur Mutter-Kind-Bindung.

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