Rückblick auf die MBSR-Jahreskonferenz 2024: Ein wertvoller Austausch über Achtsamkeit und Tradition

21.11.2024

Am 2. November 2024 fand die Online-Jahreskonferenz des MBSR-MBCT Verbandes in Kooperation mit MindfulnessSwiss statt – ein intensiver, bereichernder Tag, der über 330 Teilnehmende aus dem deutschsprachigen Raum zusammenbrachte. Unter dem Motto „Dharma – So what? Wie viel buddhistische Tradition brauchen wir?“ bot die Veranstaltung Raum für tiefgehenden Austausch, praxisnahe Impulse und spannende Diskussionen.

Vielen Dank an alle Teilnehmenden, Referent:innen und unseren Kooperationspartner MindfulnessSwiss für den wertvollen Austausch über Achtsamkeit, Tradition und Innovation.

Einstimmung und thematische Ausrichtung

Die Konferenz begann mit einer achtsam-künstlerischen Einstimmung, die die Teilnehmenden einlud, im Moment anzukommen und sich auf die bevorstehenden Inhalte einzulassen. Das Leitmotiv der Veranstaltung – die Frage nach der Rolle buddhistischer Tradition in der säkularen MBSR-Praxis – bildete den roten Faden, der sich durch alle Programmpunkte zog. Ziel war es, gemeinsam auszuloten, wie sich MBSR als achtsamkeitsbasiertes Programm heute und in Zukunft positionieren kann, um weiterhin relevant und wirksam zu bleiben.

Keynote von Dr. Yuka Nakamura: Standortbestimmung und Zukunftsvision

Die Konferenz wurde eröffnet mit einem inspirierenden Vortrag von Dr. Yuka Nakamura, die eine fundierte Standortbestimmung von MBSR vornahm und mögliche Entwicklungsperspektiven aufzeigte. Sie ging der Frage nach, wie viel Dharma in MBSR seinen Platz finden kann – oder sollte. Dabei stellte sie Überlegungen an, etwa ob MBSR möglicherweise eine säkulare Form von Spiritualität oder sogar eine Art „säkularer Religion“ darstellt.

Dr. Nakamura beleuchtete, wie sich das Verhältnis von MBSR und buddhistischen Wurzeln über die Jahrzehnte verändert hat. Während früher viele Lehrende aus einer buddhistischen Praxis kamen, fände MBSR heute auch in säkularen Kontexten großen Anklang. Sie betonte jedoch, dass MBSR mehr sei als eine Methode oder ein neurologischer Prozess – es eröffne einen tiefen Transformationsprozess, der über die Lenkung der Aufmerksamkeit hinausgehe. Dieser Prozess sei zentral, um Menschen in herausfordernden Lebenssituationen zu unterstützen.

Vielseitige Workshops: Achtsamkeit in Praxis und Alltag

Die Konferenz bot zwei Workshop-Sessions, die eine große Vielfalt an Themen abdeckten: Von Mindfulness-Based Pain Management und achtsamer Begleitung chronischer Erkrankungen über Neurodiversität und Achtsamkeit bis hin zu Achtsamkeit in der Klimakrise und traumasensiblem Yoga. Diese Formate ermöglichten einen lebendigen Austausch, bei dem die Teilnehmenden neue Ansätze kennenlernen, direkt ausprobieren und vertiefen konnten.

Podiumsdiskussion: Perspektiven auf die Zukunft von MBSR

Ein weiteres Highlight war die Podiumsdiskussion, bei der die renommierten Expert:innen Dr. Yuka Nakamura, Prof. Dr. Thorsten Kienast, Dr. Ulrich Ott und Akincano Marc Weber über die Rolle des Dharma in der MBSR-Praxis diskutierten. Moderiert wurde die Diskussion von Dr. Martina Aßmann, Vorsitzende des Vorstands des MBSR-MBCT Verbands. Dabei wurden Themen wie die Integration buddhistischer Psychologie, die Bedeutung der Praxis für Menschen in schwierigen Lebenssituationen und die Nutzung motivationspsychologischer Erkenntnisse besprochen. Einig waren sich die Panelgäste, dass es sinnvoll sei, wenn MBSR sich weiterentwickelte, um weiterhin relevant zu bleiben, ohne dabei seine Wurzeln zu verlieren.

Dr. Ulrich Ott, Forscher im Bereich Meditation, erläuterte, wie wissenschaftliche Erkenntnisse helfen können, die Motivationen und Bedürfnisse von MBSR-Teilnehmenden besser zu verstehen. Interessanterweise, so Dr. Ott, sei Leid oft ein erster Motivator, um mit der Praxis zu beginnen, während langfristiges Praktizieren oft durch den Wunsch nach Selbstkenntnis und persönlicher Entwicklung motiviert werde.

Akincano Marc Weber, buddhistischer Lehrer und Therapeut und Ausbilder in verschiedenen achtsamkeitsbasierten Verfahren, brachte eine weitere Perspektive ein: Er plädierte dafür, mehr Elemente der buddhistischen Psychologie in MBSR einzubringen. Diese könnten helfen, zentrale Fragen wie den Unterschied zwischen Achtsamkeit und Aufmerksamkeit klarer zu definieren – ein wesentlicher Schritt, um die Praxis auf einer tieferen Ebene zu verstehen, zu erfahren und letztlich auch zu vermitteln.

Ein spannendes Thema war auch, wie achtsamkeitsbasierte Verfahren Menschen in akuten Krisen oder mit psychischen Erkrankungen unterstützen können. Prof. Dr. Thorsten Kienast, Neuro- und Verhaltenswissenschaftler, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, wies darauf hin, dass bestimmte Übungen – wie der Body-Scan – gerade für Menschen mit psychischen Erkrankungen herausfordernd sein können. Er betonte, wie wichtig es sei, die Praxis individuell anzupassen, um alle Menschen sicher und effektiv begleiten zu können.

Abschließende Keynote von Tatsdudo Nicole Baden Roshi: Transformation als Prinzip

Den Abschluss der Konferenz bildete der inspirierende Vortrag von Nicole Baden Roshi, die als Dharma-Nachfolgerin und erfahrene Zen-Lehrerin aus ihrer eigenen Praxis schöpfte. Sie betonte, dass MBSR sich nur weiterentwickeln könne, wenn es sich auf seine Wurzeln besinnt, aber auch mutig neue Wege geht.

Ein zentraler Gedanke war der Umgang mit Leerheit – nicht als abstraktes Konzept, sondern als direkte Erfahrung, die zur Grundlage von Transformation werde. Meditation sei immer auch eine Praxis der Leerheit, und diese Perspektive könne helfen, die Essenz von Achtsamkeit besser zu verstehen und zu vermitteln.

Tatsudo Nicole Baden Roshi hob hervor, dass Veränderung keine Bedrohung, sondern eine Notwendigkeit sei, um relevant zu bleiben. Dabei gehe es darum, genau hinzuschauen: Wo stehen wir? Was macht uns aus? Und wo wollen wir hin?

Ein Ausblick mit Vorfreude

Die Online-Jahreskonferenz 2024 war eine Einladung, tiefere Fragen zu stellen und mutige Antworten zu finden. Sie zeigte, wie bereichernd der Dialog über Tradition, Praxis und Innovation für die MBSR-Community ist. Als Verband danken wir allen Teilnehmenden, Referent:innen und unserem Kooperationspartner MindfulnessSwiss für ihr Engagement.

Wir freuen uns schon jetzt auf die Jubiläumskonferenz zum 20-jährigen Bestehen des Verbandes vom 3.–4. Oktober 2025 in Berlin – live und mit vielen weiteren inspirierenden Impulsen. Save the date!